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Liebe Kolleginnen und Kollegen,

jeder Mensch hat eine persönliche Grenze für das, was er mitzumachen bereit ist. Unsere ist überschritten.

Wir haben vermutlich alle einmal mit der Medizin angefangen, um AM Patienten tätig zu sein. Seit vielen Jahren breitet sich jedoch die VERWALTUNG unserer Tätigkeit wie ein Krebsgeschwür aus, der INHALT unserer eigentlichen Aufgabe geht dabei zunehmend verloren: von der Budgetierung von Leistungen über die Medikamenten-Budgets, die Patienten-Belege, Zeitraster, QM-Management, Vergütung auf Grundlage von virtuellen Punkten usw. usw. bis hin zur aktuellen Datenschutz-Grundverordnung. Schon wird in vorauseilendem Gehorsam unterschrieben was das Zeug hält, werden e-Mails nicht mehr gesendet, wird der "kurze Dienstweg" für schnelle Termine nicht mehr genutzt... Es reicht!

Von einer rasant zunehmenden Reihe von Kollegen habe ich große Zustimmung für ein von uns in den unübersehbaren Maßen 170 cm x 60 cm in den Eingangsbereich gehängtes Plakat bekommen, das alle unsere Räumlichkeiten betretenden Patienten wahrnehmen müssen. Ich möchte Ihnen den Text hiermit verfügbar machen und darum bitten, der durch so viele Vorgaben zunehmenden Entverinhaltlichung unserer eigentlichen Aufgabe nicht weiter tatenlos zuzusehen:

Sehr geehrte, liebe Patientinnen und Patienten,

die grauen Damen und Herren haben wieder einmal gekreißt und uns einen neuen Cerberus (die sog. DSGV - DatenSchutzGrundVerordnung) erschaffen, der einmal mehr den Inhalt unserer ärztlichen Tätigkeit ignoriert und die soziale Entdifferenzierung beschleunigt, mit nicht absehbaren Folgen.

Wie bereits in den vergangenen 25 Jahren werden wir auch zukünftig mit den uns von Ihnen anvertrauten und zur Behandlung erforderlichen Daten und Informationen sorgfältig und nach bestem Wissen und Gewissen umgehen. Dabei fühlen wir uns als Ärzte dem Hippokratischen Eid von vor mehr als 2.000 Jahren, gerade in Bezug auf „Daten- und Persönlichkeitsschutz“, mehr verpflichtet, als einem bürokratischen Monster, dessen Folgen im Dunklen liegen.

Wir erwarten von unseren mündigen Patientinnen und Patienten, die sich freiwillig in unsere stets sorgfältige Behandlung begeben, dass sie - wie seit jeher - auf unsere ärztliche Verschwiegenheit bauen und sich diesem gegenseitigen Vertrauensverhältnis aussetzen. Ein Kotau vor dem Monster aus Brüssel mit vorauseilendem Gehorsam und Unterschriftsmanie halten wir gemäß Artikel 6, Absatz 1 DSGV für unverhältnismäßig.

Sollten Sie in unserer Umsetzung ein Problem sehen, so können wir uns darüber austauschen. Insbesondere weisen wir Sie jedoch hiermit beim Eintritt in unsere Räumlichkeiten und freiwilligem Nachsuchen unserer Behandlung ausdrücklich auf Ihre Rechte zur Daten-Auskunft (Art. 15 DSGV), Daten-Berichtigung (Art. 16 DSGV) und Daten-Löschung bzw. Sperrung (Art. 17 bzw. 18 DSGV, wobei dem oft andere Rechte widersprechen) hin.

Herzlichst 

M Hartmann

Gefragt von (1.2k Punkte)
+2 Punkte
Sicher ganz lustige Idee! Aber nach vier Wochen sollten Sie sich und Ihren Patienten ein hübsches Plakat mit Strand oder Bergen gönnen.

Ihren Frust kann man selbst als mit der Sache befasster Jurist - ich berate mehr als 100 Praxen bundesweit- verstehen. Es kostet viel Zeit, auch Geld, liegt dann wie das QM-Handbuch, gleichfalls mit viel Aufwand erstellt und in weiten Teilen nicht umgesetzt, in der Ecke. Die größten Sesselpubser, die das unterstützen sitzen in den KVen und Ärztekammern, dort wird beim  Kalten Buffet alles durchgewunken. Diese Clubs sind aber IHRE Ärztevertretungen, die KVen sind die Selbstverwaltungsorgane der Ärzteschaft! Hier müssen Sie die Dinge eskalieren lassen. Die TI ist das allerbeste und nächste Beispiel. Machen Sie von Ihrem Wahlrecht Gebrauch und setzen Sie IHRE Vertreter auf die Straße!

Wenn Ihnen das zuviel ist,bleibt nur die humorvolle Ignoranz.

2 Antworten

Sich über die DSGVO aufzuregen bringt nichts, da mussten wirklich alle durch, nicht nur wir Ärzte. Einige meiner Patienten freuen sich sogar nun genau zu wissen was mit ihrern Daten passiert. Viel schlimmer finde ich die Telematikinfrastruktur gegen die nichts geschieht ausser ein "das sitze ich aus und zahle die Strafe". Den Kollegen ist noch nicht klar wie empfindlich  hoch diese Strafen sein werden und wie unangenehm die Nutzung der TI sein wird. Praktisch das Hochladen der Kassenabrechnung nur täglich und bei jedem einzelnen Patienten. Das wird richtig viel unbezahlte Extraarbeit.
Beantwortet von (55.3k Punkte)
+1 Punkt
Aufregen bringt wirklich nichts, sich dagegen zu engagieren halte ich jedoch für sinnvoll: schaut man über die Grenzen ins europäische Ausland, z.B. Österreich, sieht man, wie kleinunternehmerfreundlich man die EU-DSGVO in nationales Recht umsetzen kann. Auch das Abmahnwesen in Deutschland gehört in diesem Zusammenhang diskutiert, ebenso wie der Datenschutzaspekt der TI natürlich.

Ich fände es erfreulich, wenn jetzt wirklich für ein paar Kollegen das Maß voll ist und statt dem üblichen Gemecker wenigstens einige davon zukünftig aktives politisches Engagement zeigen. Hier hat sich in den letzten Monaten bereits einiges getan: www.rote-karte-für-die-ti.de, www.deutscheaerztegewerkschaft.de
www.rote-karte-fuer-die-ti.de ist ja eher ein Witz. An den Bundestag eine Postkarte zu schicken bringt ja sicher ganz viel. Das zeigt mir eher wie unorganisiert wir Ärzte sind. Wir schreiben Postkarten wie Amnesty International. Eine praktisch nicht existierende Lobby, unglaublich später Einstieg in die Selbständigkeit, kein Streikrecht. Mann könnte geschlossen die Kassenzulassung zurück geben. Eine sichere Möglichkeit der TI zu entgehen. Das haben vor Jahren die Kieferorthopäden gemacht. Klar die machen viel Privat und konnten es sich leisten. Damals gab es dann auch einige KFO Praxen die dann netterweise Verträge mit der Kasse geschlossen haben und die Kollegen umgangen haben. An einem Stang ziehen ist scheinbar nicht so ganz Arztsache.

Da wir uns nicht organisieren können denke ich eher an einen rechtlichen Weg. Jeder von uns sollte klagen. Das bekommen sogar wir Ärzte hin.
Beantwortet von (55.3k Punkte)
+1 Punkt
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