Nachdem ich viele Dinge der Telematik in meiner kleinen Hausarztpraxis umgesetzt habe, wollte ich mir auch einmal ansehen wie der Patient die Dinge erleben kann.
Ich habe mich daran gemacht mir eine PIN für meine GKV Versicherungskarte zu organisieren und meine Krankenkasse angeschrieben. Von dort kam zurück dass es die PIN nicht einfach so gäbe. Dieses sei nur in Verbindung mit der ePA (elektronische Patientenakte) möglich. Ich müsse mich also zunächst für eine ePA registrieren und das Ergebnis aus dem Registrierungsverfahren sei dann die PIN für die Vesicherungskarte.
Darüber hatte ich mich zunächst fürchterlich aufgeregt. Ich wollte mir eigentlich nur einen Notfalldatensatz schreiben und auf die Karte speichern und nicht gleich eine Patientenakte bei der Krankenkasse speichern.
Nachdem der erste Groll verflogen war, habe ich mich aber darauf eingelassen und das Projekt ePA begonnen:
Das geht dann natürlich nur über die Krankenkassen-App aus dem App-Store. In der App dann nach ePA gesucht und auf registrieren. Es beginnt dann ein Prozess mit Abfragen von email Adressen und Eingeben von selbst ausgedachten PIN Nummern und Passwörtern. Besonders amüsant fand ich die Abfrage nach einer ausgedachten PIN Nummer, wobei der Vorsschlag war eine 50stellige PIN Nummer zu verwenden, damit es sich tatsächlich um eine sichere PIN Nummer handelt. Für 50 Stellen hat es gestern Abend dann nicht mehr gereicht. Aber es geht auch mit weniger, wie ich kurz darauf feststellen konnte. Abgeschlossen wird die Registrierung über eine persönliche Identifizierung. Das kann man in der Geschäftsstelle der Krankenkasse oder aber auch mit anderen Verfahren machen. Geschäftsstelle ist in Corona Zeiten eher sehr schwierig. Mal ganz davon abgesehen, dass Arbeitnehmer auch arbeiten müssen zu den Zeiten an denen die Geschäftsstelle der Krankenkasse geöffnet hat. Es geht ja aber auch anders: Postident Verfahren und Videoident! Postident kenne ich ja noch vom eHBA. Am Postschalter Schlange stehen und dann den Identifizierungsprozess machen. Videoident kannte ich noch nicht. Daher dachte ich mir: schlimmer kann es damit auch nicht werden. Also Videoident geklickt und weiter.
Videoident habe ich dann im Folgenden tatsächlich mal als positive Entwicklung der Digitalisierung wahrgenommen. Man kann das bis 22.00 Uhr machen und auch vom Sofa aus. Man braucht natürlich wieder eine App dazu. Also wieder in den App Store und die Video-Ident-App der Post geladen. Vorgangsnummer der ePA-Krankenkasse-Geschichte eingegeben und man kommt weiter. Perosnalausweis entsprechend der Vorlage abfotografiert und schliesslich gelangt man in einen Chatraum mit einem Callcenter Mitarbeiter. Hier kurzes Hallo und den Ausweis in die Handykamera gehalten und wenn alles läuft wie es soll, sagt der Mitarbeiter Dankeschön und man sei identifiziert. Der Chatraum schliesst sich und man auf Seite der Krankenkasse weitermachen.
Nach diesem Identifizierungsprozess soll man dann die PIN per Post zugesendet bekommen. Und dann kann man ePA , NFDM und ganz viele andere Sachen machen. Mal sehen ...
Mir war von Anfang an bewußt auf einer Odysee zu sein. Die Art und Umfang wie kompliziert die Telematik in Deutschland gestrickt wurde, erstaunt mich jedoch erneut. Das alles unseren Patienten zuzumuten ist völlig überzogen und unrealistisch. In der Zusammenschau sind die Prozesse viel zu kompliziert und umfangreich. Notfalldatensätze wird man zumindestens bei meiner gesetzlichen Krankenversicherung mit diesem Verfahren nicht viele generieren. Ich hoffe da kommt noch Bewegung in die Sache. Sonst wird der Roll-Out der Notfalldatensätze zum Rohrkrepierer. Dafür lohnt sich die Anschaffung weiterer Kartenlesegeräte als Sprechzimmerausstattung defintiv nicht.
Meine Hoffnung ist, dass die Kassen, die Politik und unsere Standesvertreter dieses irgendwann noch erkennen.
Darüber hinaus soll es ja noch andere TI-Anwendungen wie die eAU geben. Diesbezüglich möchte ich die Fa. zollsoft bitten ein gutes und unkompliziertes Signaturprozedere für das Kartenlesegerät zu programmieren. Wenn das denn tatsächlich ab 01.10.2021 kommt, sollte man unkompliziert AU-Bescheinigungen und sehr gerne auch weitere Dokumente signieren können. Das würde ich mir wünschen.
V. G. aus dem Norden