Liebe Kolleginnen und Kollegen,

seit Januar 2025 wird die elektronische Patientenakte (ePA) automatisch für alle gesetzlich Versicherten angelegt – ein Schritt, der eigentlich längst überfällig war. Ich benötige täglich diese Daten, das liegt aber auch daran, dass kaum ein Überweiser bereit ist neben seinem unvollständig ausgefüllten Überweisungsschein irgendwelche strukturierten Angaben zu machen oder auch nur halbwegs brauchbare Befunde mitzugeben. 

Mit der neuen Opt-Out-Regelung sinken die formellen Hürden für Patienten erheblich: Keine Beantragung, keine Registrierung, keine komplizierte Aktivierung mehr nötig.

Und dennoch: In der Praxis läuft vieles schleppend.

Mein Eindruck: Im Vergleich zu skandinavischen Ländern machen wir es hier in Deutschland unnötig kompliziert. Die Folge: Eine eigentlich großartige Idee droht ein Rohrkrepierer zu werden.

Warum? Ein paar Beobachtungen aus dem Alltag:

  • Patienten – insbesondere ältere oder weniger technikaffine – stoßen weiterhin auf hohe Hürden, wenn sie selbst Daten verwalten oder Zugriffsrechte steuern wollen. Smartphone, App-Installation, PIN, Authentifizierungsverfahren – all das bleibt für viele ein Buch mit sieben Siegeln.

  • Ärzte profitieren zwar theoretisch von der ePA, praktisch fehlen aber automatisierte Schnittstellen. Daten hoch- und runterladen? Bisher kaum praktikabel. Wichtige Funktionen, etwa das automatische Befüllen des Notfalldatensatzes oder strukturierte Übernahme der Akten in unsere Systeme (z. B. Tomedo), sind immer noch nicht reibungslos möglich.

  • Vergütung: Klar, wir erhalten eine recht attraktive Vergütung für die Erstbefüllung. Aber langfristig? Ohne vernünftige Vergütung wird sich kaum jemand regelmäßig aktiv um die Pflege der ePA kümmern wollen.

Mein Ansatz: In meiner Praxis habe ich gelernt, dass strukturierte Daten der Schlüssel sind. Ich lege systematisch strukturierte Patientenakten an, sodass ich heute Behandlung, Dokumentation, Arztbriefschreibung und Abrechnung weitgehend automatisiert abwickeln kann.

Das sollte auch für die ePA gelten!

  • Strukturierte Befüllung: Damit die ePA wirklich mehr ist als ein digitaler Ablageordner. Ansonsten könnte das eine verküpfte KI für uns erledigen. Mit Tomedo ist das möglich.

  • Automatisierte Übernahme: Vom Notfalldatensatz bis zu Befunden – ohne manuelles Nacharbeiten.

  • Ganz wichtig! Nutzung in beide Richtungen: Import der ePA-Daten in die eigene Praxissoftware und Upload relevanter Dokumente.

Was fehlt, um die ePA zum Erfolg zu machen?

  • Bessere Integration in Praxissoftwares wie Tomedo: Automatisierte Import-/Exportfunktionen, intelligente Mappings für strukturierte Datensätze.

  • Niedrigschwellige Nutzung für Patienten: Terminals in Praxen oder Apotheken, sollten den Praxen kostenfrei zur Verfügung gesetellt werden. leichtere Möglichkeiten zur Vollmachtserteilung, reduzierte Abhängigkeit von Smartphones und komplizierten Apps.

  • Attraktive, dauerhafte Vergütungsmodelle: Die Erstbefüllung ist ein guter Anfang, aber langfristig müssen regelmäßige Aktualisierungen sinnvoll vergütet werden.

  • Mehr Schulung und Support: Für Praxen und Patienten gleichermaßen – und zwar praxisnah und nicht theoretisch überfrachtet.

Fazit:
Die ePA könnte ein Gamechanger sein – wenn wir sie einfach machen. Die Technologie ist da, aber die Usability und die Prozesse hinken noch weit hinterher. Ohne Vereinfachung, Automatisierung und ausreichende Anreize wird die ePA ihren Nutzen nicht entfalten. Ich hoffe sehr, dass wir hier von den positiven Erfahrungen der skandinavischen Länder lernen können, bevor der Schwung verpufft. Was die Automatisierung angeht so hoffe ich doch, dass Tomedo da als Vorreiter hervorsticht und uns unterstützt.

Wie sieht es in anderen Praxen aus?

  • Wer kann schon Nutzen aus bereits angelegten Daten ziehen?

  • Welche Funktionen fehlen?

  • Was müsste Sicht passieren, damit die ePA Alltag wird und bleibt?

Bin gespannt auf Erfahrungen und Ideen!


 

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1 Antwort

Moin Herr Klaproth,

ich bin noch Kilometer weit weg von Ihren Automatisierungen und dennoch merke ich, dass ich nach 2 Quartalen schon teilweise weiter bin als viele längere Nutzer von Tomedo.

So ähnlich sehe ich es mit der ePA. Viele Prozesse werden mit der Zeit besser laufen werden (sowohl auf Seiten der Gematik als auch auf Seiten von Zollsoft (wobei man sagen muss, im Vergleich läuft es schon sahnig). Im Grunde brauch es nur eine AK Funktion zum Upload und ggf. die ein oder andere Bedingung und für den Alltag ist das Problem gelöst.

Ohne Ihnen zu Nahe treten zu wollen. Sie als Fachgebietsarzt haben ein eher kleines Spektrum abzudecken, dieses dafür aber hoch spezialisiert bis ins Detail. Somit lassen sich dort sehr viele Prozesse auch hervorragend automatisieren. Zudem haben Sie eine enorme inerte Motivation dies zu tun.

Mein Eindruck ist, dass insb. viele ältere Hausärzte und Innen bereits gedanklich abgeschlossen haben. Sie hatten vermutlich CGM. Sind nicht die Generation für IT und haben eben KEIN inertes Interesse. (hier gibt es natürlich hervorragende Ausnahmen).

 

Die Probleme, die durch die ePA immer mehr offenkundig werden sind die mangelnde Selbstkritik und Selbstoptimierung.

 

Was muss passieren innerhalb des ePA Kosmos?

Auf Seiten der Gematik/Kassen/Politik: z.B. dass ältere Leute einen Antrag stellen dürfen, dass HA xy dauerhaft freigeschaltet ist und nicht nur für 3 Monate (also, dass sie es ohne APP ändern können)

Dass Gesundheitsämter, Pflegeheime, Krankenhäuser, (Krankenkassen?) usw. in KIM intergriert sind und es regelhaft nutzen.

Auf Seiten der Ärzteschaft:
Mehr Selbstoptimierungsdrang
Mehr IT-Basis Know how (wie war das nochmal mit dem Drucker...)

Hauptproblem:
Die Rahmenbedingungen lösen können hier leider wieder nur Andere. Weder Sie noch Zollsoft kann die Rahmenbedinungen ändern. Es muss durch Landes ÄK, BundesÄK, dann Bundestag/Rat und eh das durch ist - 2040...

Zollsoft kann innerhalb dieser Grenzen das Ganze angehen.

Ich an Ihrer Stelle würde betroffene HÄ mit den graufenhaften ÜW kontaktieren und fragen, was der besseren Informationsweitergabe strukturell im Weg steht. Ich freue mich immer, wenn ich Kontakt zu meinens Gebietsfachärzten aufbauen kann und somit auf kurzem Wege Probleme aus dem Weg schaffen kann (oder zumindest z.B. unterschiedlichen Leitlinien erörtern kann)

VG
Clemens Siebolds
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An Ihrer Stelle würde ich die betroffenen Hausärzt:innen direkt wegen der problematischen Überweisungen kontaktieren.

Ich habe das bereits getan – als Begründung wurde mir ein Zeitproblem genannt; die Bürokratie sei eine zu große Belastung.

Einzelne Ärzt:innen beklagen zudem, dass sie zusätzlich auch noch die zahlreichen Arztbriefe lesen müssten.

Interessanterweise sind es oft dieselben, die dann wiederum Patienten unangekündigt, bevorzugt freitags um halb zwölf, in die Praxis schicken – natürlich mit dem Vermerk “HAV” auf dem Überweisungsschein.

Ich glaube, da ist jede Diskussion zwecklos. Deren Patienten beklagen sich oft und würden gern den HA wechseln, was aber daran scheitert, dass die meisten Aufnahmestopp haben. 

Ich kann Sie da gut verstehen Herr Klaproth.

Haben Sie das Gefühl, dass wir durch bessere Integration von der ePA diese Menschen mehr einbinden können?
Ja auf jeden Fall - wenn denn dort Strukturen vorhanden sind, die schnell auswertbar sind. Ich kann das aber noch nicht überblicken, weil ich vergeblich nach gefüllten ePA`s Ausschau halte. Ich hatte bislang eine über einen Versicherer aus Holland und das war eine Katastrophe, weil pdf auf den Kopf gedreht waren.

Mit KI lassen die sich aber auswerten und kann man damit auch ungeordnete Daten strukturieren. Es fehlt also nur noch der automatische Import in Tomedo, damit würde man sich das händische Öffnen sparen.

Was auch ungeklärt ist, was machen wir mit offensichtlich fehlerhaften Informationen. Es macht m.E. Überhaupt keinen Sinn, alle Informationen in die ePA zu laden, wie eAU oder den Schwangeschaftstest. Imfdokumente wären dagegen essentiell. Diesbezüglich habe ich Ihnen auch eine PN geschickt.
Hallo Hr. Klaproth,

Sind Sie nicht vielleicht ein bisschen ungeduldig? Nicht böse gemeint, aber ich glaube auch, dass das Ganze ein bischen Zeit zum "reifen braucht". Ich für meinen Teil sehe mich in der Verantwortung die ePA "verantwortungsvoll" zu befüllen, habe selber jetzt knapp 30 befüllt, auch noch keine selber extern erhalten, bin aber gerade bei der Automatisierung nicht so ganz sicher ob das dann noch in Ihrem Sinne ist, Sie haben ja selber kritisiert, dass da alles unreflektiert reingestellt wird. Ich würde glaube ich erstmal so anfangen, dass man exemplarisch Akten befüllt und seine Erfahrungen macht wo es hakt, wenn man dann den Überblick hat was nutzvoll ist und was nicht kann man den "Automatisierungsprozess" beginnen. Ich bin da gar nicht so pessimistisch wie Sie, technisch sollte das alles machbar sein (Zollsoft hilft suffizient), denke ich. Ich bin grundsätzlich technisch gesehen eher optimistisch, auch wenn ich nach wie vor Bedenken habe was Schweigepflicht und Datenschutz anbetrifft ( meine größte Sorge ist, ob Patienten noch alles erzählen werden), die Auswirkungen sind noch nicht sichtbar.

Hallo Herr Becker,

Geduld ist meine größte Stärke wink

Die zentrale Speicherung der wichtigsten medizinischen Daten dürfte uns enorm weiter helfen. Ich würde und könnte gern die ePA mit den wichtigsten Daten befüllen, dazu gehört auch der Notfalldatensatz, den ich für extrem wichtig halte. Mit demrichtigen Augenma und in Absprache mit den Patienten sollte da gelinge. Ich werde nur die Daten hochladen denen der Patient auch zustimmt. Im übrigen kann der die auch selber löschen, was allerdings technisch für die meisten zu aufwändig sein dürfte. 

Aber was nützen uns all die Daten, wenn die erst umständlich herunterzuladen und zu sichten sind. Da braucht es Automatismen und möglichst auch KI Unterstützung. Ich selbst bin skeptisch, weil ich weiß wie groß die ablehnende Haltung hat, auch ich war bis zur OptOut Regelung alles andere als angetan. Erst nachdem die Hürden niedriger geworden sind, besteht Hoffnung dass wir irgendwann einmal von den Daten profitieren. Aber gerade die älteren multimorbiden Patienten werden vermutlich zu spät dran sein. 

Ich sehe das ganz ähnlich wie Herr Becker: es war nicht zu erwarten, dass es vom ersten Tag an perfekt ist. Hauptsache ist jetzt, dass die PVS Anbieter ihre Hausaufgabe machen. Denn das hakt es offensichtlich noch mächtig, ich habe mit vielen Kollegen, die nicht tomedo haben gesprochen, bei denen klappt wenig bis nichts. Und dann gibt es die Kollegen, die am liebsten noch mit Papierakten arbeiten würden: ich bin immer wieder entsetzt, wie viele Kollegen in meiner Gegend sich immer noch wie die Verteidiger des Abendlandes fühlen, weil sie noch keine e Rezepte ausstellen... und wenn man das so an die ePA herangeht, wird das nie was.
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