Hier im Forum wird gerade intensiv über die elektronische Patientenakte diskutiert – und viele sehen darin die große Chance für eine bessere medizinische Versorgung. Die Idee: Möglichst viele Daten (z. B. Laborbefunde) hochladen, damit alle Behandelnden jederzeit Zugriff haben. Klingt gut – aber ist das auch praxistauglich?
Ich sehe das kritisch – aus folgenden Gründen:
1. Kontextlose Daten können irreführen.
Ein positiver Schwangerschaftstest vor 15 Jahren – soll der wirklich noch in der ePA stehen? Laborbefunde sind Momentaufnahmen. Ohne klinischen Kontext und genaue Datierung können sie eher verwirren als helfen. Wer entscheidet, was noch relevant ist – und was nicht?
2. Was fehlt, sind strukturierte Basisinfos.
Mich interessiert oft viel mehr: Welche OPs gab es? Welche Diagnosen sind gesichert? Welche Therapien liefen – mit welchem Verlauf? Was für relevnte medizinische Probleme liegen dauerhaft vor? (Blutgruppe, Gerinnungsstörunegn, vorhandene Implantate etc.) Genau diese Angaben fehlen in den allermeisten Überweisungen – und ich sehe keinen Hinweis, dass sich das durch die ePA plötzlich bessern wird. Im Gegenteil: Datenflut ohne Struktur hilft niemandem. Die meisten Medikamentenpläne werden durch Gekritzel und handschriftliche Notizen ergänzt.
3. Wer löscht falsche Daten?
Wenn jemand versehentlich oder absichtlich falsche Informationen hochlädt – wer korrigiert das? Wer trägt die Verantwortung? Eine ePA mit fehlerhaften oder veralteten Inhalten kann im schlimmsten Fall gefährlich werden.
4. Realität in der Versorgung: Datenmangel trotz Digitalisierung.
Schon heute erhalte ich in kaum 1 % der Überweisungen von Hausärzt:innen eine brauchbare Zusammenfassung der Vorgeschichte. Oft fehlen aktuelle Befunde, selbst Diagnosen sind manchmal nicht plausibel dokumentiert. Wieso sollte das mit der ePA plötzlich besser werden? Die Krönung ist ein mann der mir mit Menstruationsbeschwerden vorgestellt wurde.
Ich bin nicht grundsätzlich gegen die ePA – aber wir sollten ehrlich über die Risiken sprechen:
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unstrukturierte Daten,
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fehlende Qualitätssicherung,
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hoher Dokumentationsaufwand für die Praxen,
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und potenzielle Fehlnutzung.
Fazit:
Die ePA kann ein sinnvolles Werkzeug sein – wenn sie richtig umgesetzt wird. Das heißt für mich: klare Strukturen, Zuständigkeiten, Relevanzfilter. „Mehr Daten“ ist nicht automatisch „bessere Versorgung“.
Ich bin gespannt, wie das andere sehen:
Wer hat positive Erfahrungen gemacht? Wer teilt meine Skepsis?