Ich muss dies Thema nochmal auf das Tableau hieven:
Ich habe Impfdoc echt schätzen gelernt, es nimmt uns eine große Menge Arbeit ab. Aber die Frage, welche Impfungen koadministrierbar sind, ist in meinen Augen nicht gut gelöst. Explizit erlaubt ist das in den Fachinformationen nur sehr selten. Die STIKO sagt, Totimpfungen können in verschiedenen Gliedmassen koadministratiert werden, es sei denn das ist ausdrücklich verboten ("Nur zwischen der Verabreichung von zwei Lebendimpfstoffen muss ein Abstand von 4 Wochen eingehalten werden. Zwischen mehreren Totimpfstoffen und zwischen Tot- und Lebendimpfstoffen muss kein bestimmter Abstand eingehalten werden" RKI-Link)
Das Verhalten von Impfdoc ist spätestens bei Reise-Impfplänen sehr lästig und verhindert die ( eigentlich geniale!) automatische Erstellung eines Impfplans, da fast jede Impfung einzelnd gegeben werden soll. Gerade in dieser Situation (Patient kommt auf den letzten Drücker, ' was brauche ich denn so für Nigeria') ist die Planung der Impfungen recht aufwendig und Impfdoc könnte seine ganze Power ausspielen. Stattdessen wird eine ellenlange Liste mit einer zweistelligen Zahl an Impfterminen ausgeworfen. Das ist an der Realität vollkommen vorbei. Ich habe im Moment natürlich noch recht wenige Reiseimpfberatungen, aber demnächst werden sicher auch die Fernreisen wieder zunehmen.
Kann man das nicht wenigstens wählbar machen in den Einstellungen, ob nur auf Tot/Lebend und explizite Ausschlüsse geachtet wird oder das aktuelle restriktive Verhalten angewendet wird? Wie gesagt, die STIKO ist da entspannt, es wäre also auch keine medizinisch falsche Impfempfehlung.
Die Medikamentendatenbank schliesst ja auch nicht alle Medikamentenkombinationen die nicht expliziterlaubt sind aus - dann hätten wir ein Problem. Auch dort werden Wechselwirkungshinweise nur angezeigt, wenn die gemeinsame Gabe problematisch sein kann.
Hallo zusammen,
ich habe volles Verständnis für die Einwände hinsichtlich der Einschränkungen bei Koadministrationen auf Grund von Zulassungen! Viele kennen das nicht und es verhindert in manchen Fällen eine schnelle Impfung.
Grundsätzlich ist es aber so, dass in ImpfDocNE die in den FI zugelassene Datenlage wiedergegeben wird und auch muss. Alles was nicht geprüft wurde, für das also keine validen Studien vorliegen und damit nicht in den FI steht, ist ein Off-Label Use. Diese Einschätzung wird auch von der STIKO unterstützt. Früher war das mal anders. Da stand ausdrücklich in der FI, was nicht koadministrierbar ist. Jetzt haben wir eine „Positivliste“ und es stehen die Impfstoffe drin, für die Daten bei einer Koadministration vorliegen.
Die allgemeine Aussage der STIKO, dass alle Totimpfstoffe koadministrierbar sind, ist nicht stringent und gilt "in der Regel", aber nicht für alle Impfstoffe. Die STIKO weißt stets darauf hin, dass die Empfehlungen vorbehaltlich der Herstellerangaben gelten.
Eine Freigabe von Koadministrationen, die in der Zulassung nicht hinterlegt sind, kann es insofern nicht geben. Wir denken aber darüber nach, ob der Anwender das selber machen kann mit Verweis, dass der Patient über die fehlende Studienlage aufzuklären ist. Ein anderes Vorgehen lässt auch das Fehlermanagement gemäß Medizinproduktegesetz leider nicht zu.
Ich würde mich aber über Daten freuen, insbesondere welche Koadministrationen mit GRÜN/GELB oder ROT gekennzeichnet werden sollen. M.E. lassen die FI nur JA oder NEIN zu.
Viele Grüße
Dr. Hans-J. Schrörs, GZIM-Projektleiter ImpfDocNE
Lieber Herr Stoll, verehrte Kolleg*innen,
ich habe großes Verständnis für das Problem und habe selber in meiner Praxis oft vor der Frage gestanden, ob in einem engen Zeitfenster vor einer Reise noch alle Impfungen durchgeführt werden können. Dabei habe ich mich auch manchmal, ähnlich wie Sie dazu durchgerungen, entgegen der Studienlage diverse Impfungen zu koadministrieren. Das habe ich selber entschieden und die Patienten entsprechend aufgeklärt.
Bei ImpfDocNE handelt es sich aber um ein offizielles Medizinprodukt, dass sich streng an die Empfehlungen und insbesondere an die Zulassungen halten muss. Dahinter steckt ein gesetzlich vorgeschriebenes Risikomanagement in dem man z.B. diverse Szenarien dokumentieren und die Wahrscheinlichkeit von Risiken biomathematisch kalkulieren muss. Grundlage ist immer die Studienlage. Wenn es wie in den genannten Fällen keine Studiendaten gibt, kann man das Risiko nicht evidenzbasiert kalkulieren und auch nicht statistisch berechnen. Es könnte klein oder auch sehr groß sein. Insofern können wir keine „automatische“ Koadministration zulassen, weil dadurch das gesetzlich geforderte Sicherheitsprofil der Software gestört wäre.
Zum Thema Gericht und Haftung:
Wir haben so etwas ähnliches in Bayern erlebt. Dabei ging es um vermeintliche FSME-Nebenwirkungen, die ein Impfling erlitten hat. Der bedauernswerte Kollege hatte nicht alle Anwendungs- und Warnhinweise der FI beachtet, was der Anwalt sehr schnell herausbekommen hat. Schließlich war der Kollege nach Ansicht des Gerichtes haftbar!
Zum Thema „STIKO“:
Die STIKO ist nicht so entspannt, wie beschrieben, sondern weist meist darauf hin, dass die Herstellerangaben zu beachten sind. Die STIKO gibt demnach auch kein „grünes Licht“ für Koadministrationen, die in der Zulassung nicht abgesichert sind. Wir haben bereits öfters nachgefragt. Die Antwort eines Experten aus der STIKO: „Wenn die Hersteller wollen, dass ihr Impfstoff koadministrierbar ist, müssen sie Studiendaten vorlegen und in der Zulassung dokumentieren.“
Produkthaftung:
Es stellt sich in diesem Zusammenhang auch die Frage der Produkthaftung. Auch hier haben wir bei Herstellern nachgefragt. Kein Hersteller wollte die Produkthaftung offiziell übernehmen, wenn es bei einer Koadministration, die in der Zulassung nicht erwähnt wird, zu Wirksamkeitsverlusten oder Nebenwirkungen kommt. Leider wird das durch die Außendienstmitarbeiter nicht immer korrekt vermittelt!.
Zum Workaround in ImpfDocNE:
In einem der nächsten Updates wollen wir Koadministrationen mit einem „Warnhinweis“ versehen, wenn sie in der Zulassung nicht abgesichert sind. Der Anwender kann sie dann manuell deaktivieren.
Zu beachten ist aber, dass es sich in diesen Fällen streng genommen um einen Off-Label-Use handelt, den man mit dem Patienten besprechen sollte.
Die Ampelfarbe ist dem Impfstatus vorbehalten und in der Codestruktur an vielen Stellen fest verankert. Sie kann leider nicht für einen Zulassungshinweis verwendet werden.
Kollegiale Grüße und vielen Dank für Ihre engagierten Beiträge, die sehr hilfreich für uns sind!
Dr. med. Hans-J. Schrörs
GZIM Projektleiter ImpfDocNE