Ich gebe zu, dass ich so eine emotionale (und leider aus meiner Sicht auch etwas undifferenzierte) Reaktion nicht erwartet hätte. Die Beta-Phase sollte ja gerade dazu da sein, um auch ein geeignetes Vergütungsmodell zu finden. Der derzeitige Ansatz geht dahin, dass Patienten die es nur ein mal nutzen nicht bezahlen müssen, wer regelmäßig über die Gesundakte kommunizieren will aber mit "in die Pflicht" genommen wird.
Ich denke es ist jedem bewusst, dass eine Entwicklung wie die Gesundakte Geld kostet - und das nicht zu knapp. Ähnlich wie Sie als Ärzte wollen auch Entwickler in der Regel nicht unbezahlt arbeiten, dazu kommen weitere Kosten für Sicherheitsanforderungen und Infrastruktur. Ein nicht unerheblicher Kostenblock entsteht zusätzlich durch den Betrieb einer sicheren und zuverlässigen Kommunikationsinfrastruktur, wie sie hier benötigt wird. Vor allem letzteres sind Kosten, die stark mit der Auslastung, d.h. mit der Anzahl der Nutzer wachsen.
Die Forderung "Das muss kostenlos sein!" ist also schon mal per se unrealistisch, da etwas was Kosten verursacht (allein per Definition) nicht kostenlos ist. Die realistischere Frage wäre: "Für wen soll es kostenlos sein?" - oder umgekehrt: "Wer soll die Kosten tragen?". Lassen Sie uns ein paar Antworten versuchen:
1. Die Krankenkassen?
Herr Spahn hat hier mit den "Apps auf Rezept" zwar ein bisschen was auf den Weg gebracht, dennoch sind wir aktuell relativ weit davon entfernt, dass eine Kassen-finanzierte Gesundakte realistisch wäre. Gerade hierbei stehen auf Kassenseite sicherlich ganz andere Interessen im Vordergrund als eine reine "Ende-zu-Ende"-Kommuniation. Da können wir also (wenn überhaupt) frühestens in ein paar Jahren drüber nachdenken.
2. Der Arzt?
Ein legitimer Ansatz, aber für eine Kostendeckung müssten wir hier deutlich mehr als „10 bis 20 Euro im Monat“ ansetzen - und schon bei geringeren Preisen gibt es ja häufig auffällig heftige Reaktionen und Widerstand aus der Ärzteschaft. Das erwähnte Lifetime ist ein gutes Beispiel, dass der Ansatz für uns vermutlich nicht funktionieren würde, da dort trotz immensem Fremdkapital-Zuschuss das "Überleben" weiterhin unklar ist, wie man z.B. hier lesen kann: Millionenschweres LifeTime kämpft ums Überleben
3. zollsoft?
Ebenfalls ein legitimer Gedanke, aber hier sollte man bedenken, dass wir komplett eigenfinanziert sind, unsere Einnahmen ausschließlich von unseren Kunden kommen und vollständig wieder in die Firma bzw. die Weiterentwicklungen fließen. Kurz gesagt gehen sämtliche Mehrkosten die wir haben somit zu Lasten unserer Kunden. Wir sind hier also wieder bei Vorschlag 2., nur in einer eventuell unfaireren Variante - nämlich der, dass ALLE Anwender die Kosten tragen und nicht nur diejenigen, die die Gesundakte auch nutzen. Erklären wir das mal dem Pathologen, dass er ja theoretisch mit seinen Patienten "kostenfrei" Nachrichten austauschen könnte und das somit auch mit finanzieren sollte.
Abgesehen davon gibt es hier noch den Aspekt der oben genannten Betriebskosten, die mit wachsender Nutzung steigen. Das hieße wir als Firma verantworten dann ein Produkt, dass uns immer mehr "negativen Gewinn" verursacht, je mehr Leute es nutzen. Oder anders: Je besser die App, desto schlechter für uns - offensichtlich keine gute Basis für ein erfolgreiches Produkt.
4. Die Werbeindustrie?
Ein Ansatz den man sicherlich überlegen kann. Wobei mir die Vorstellung nicht so richtig gefällt, dass ein Patient zusammen mit dem Arztbrief dann auch gleich ein Sonderangebot für das "+10cm in nur 5 Wochen"-Wundermittel bekommt. Die (ernstgemeinte) Frage ist: Wollen wir wirklich die Arzt-Patienten-Kommunikation mit Werbung verwässern? Aus allen Umfragen bisher hat sich für uns ergeben, dass eine Werbefreiheit in so ziemlich jedem Bereich der Arztsoftware angestrebt werden sollte. Wie sieht es hier aus?
5. Jemand der sich über Daten freut?
Mit der Bereitstellung von Gesundheitsdaten lässt sich bestimmt sehr viel finanzieren, aber die Implikation wäre ähnlich wie bei 4., nur noch eine Spur drastischer. Deshalb haben wir uns bei der Gesundakte von Anfang an sehr bewusst auf eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung festgelegt, die es jedem (auch uns) unmöglich macht die Gesundheitsdaten in irgendeiner Form zu verwerten. Die Entscheidung was mit Gesundheitsdaten passiert sollte meiner Ansicht nach einzig bei Arzt und Patient liegen. Eventuell hätte man einen Weg gehen können, bei dem die App kostenlos wird, wenn der Nutzer bereit ist "Datenspenden" vorzunehmen. Mal abgesehen von den rechtlichen Implikationen die hierbei zu klären wären, die Frage in die Runde: Wäre das denn die richtige Richtung?
6. Der Patient?
Das ist offensichtlich der bisher von uns präferierte Weg und da die Patienten ja (neben den Ärzten) die direkten Nutznießer einer verbesserten und sicheren Kommunikation sein sollten, ist dieser auch recht naheliegend. Im Gegensatz zu Vorschlag 2. hat dieser Ansatz den Vorteil, dass man hier schon mit deutlich geringeren "Pro Nutzer"-Kosten eine Finanzierung der Aufwände erreichen kann. Wir haben hier einen möglichst niedrigen Betrag angesetzt, der sich zudem über die "Abo-Funktion" jederzeit steuern (bzw. "pausieren") lässt, wenn man die Funktionen nicht benötigt. Die (wieder ernstgemeinte) Frage: Ist eine sichere und direkte Kommunikation für den einzelnen Patienten nicht die 99 Cent wert? Ist der Mehrwert der App wirklich geringer als ein Erweiterungspaket mit Kotz-Smilies für eine Chat-App? Oder als ein Candy-Crush-Bonus-Level? Oder als die (reellen) Kosten eines Arztbriefes? Und wenn der Mehrwert wirklich so gering ist, dann gleich die Anschlussfrage: Macht es dann überhaupt Sinn, Aufwand (Entwicklungs-/Betriebskosten für uns, Zeit für Sie) in eine Anwendung wie die Gesundakte zu stecken?
Natürlich haben wir im Vorfeld mit Ärzten - und auch mit Patienten - gesprochen. Das aktuell in der Beta angesetzt Preismodell ist Ergebnis dieses Feedbacks. Wir haben auch sehr bewusst das Preismodell jetzt schon in der Beta eingebaut, da wir das für deutlich fairer und transparenter halten, als es erst später, wenn die App schon im Echtbetrieb ist "aufzuzwingen". Wir sind natürlich auch für Alternativmodelle zur Finanzierung offen und freuen uns über konstruktive Vorschläge und Anmerkungen.
Unser Produktmanagement wird zudem auch gerne direkten Kontakt mit Ihnen aufnehmen und Anmerkungen/Feedback einsammeln.